Was hat Demenz mit Trauer zu tun?
Sehr viel. Wer einen Angehörigen betreut, der an Demenz erkrankt ist, weiß nur zu gut, wovon ich spreche. Mit ansehen zu müssen, wie der geliebte und so vertraute Mensch sich verändert, seinen Verstand zunehmend verliert, körperlich abbaut, der fühlt eine Verzweiflung und Traurigkeit, wie man sie sonst nur beim Tod eines geliebten Menschen verspürt. Es ist ein Abschied zu Lebzeiten.
Die Trauer bezieht sich aber auch auf den erkrankten Menschen selbst. Er merkt, wie sein Gedächtnis nachläßt, er zunehmend die Orientierung verliert und seine Wege nicht mehr findet. Er spürt die verständnislosen Blicke seiner Mitmenschen, wenn er Termine vergisst oder eben Gesagtes wiederholt. Fragen quälen ihn: „Bin ich betroffen?“, „Wie wird es mit mir weitergehen?“ Im Angesicht der Krankheit empfinden die Menschen tiefe Trauer, es ist ein Abschied von ihrer Gesundheit.
Als betreuende Angehörige spüren sie all dies, leben im Widerstreit der Gefühle, zwischen Liebe und Wut, zwischen Fürsorge und Überlastung, zwischen Zuversicht und Hoffnungslosigkeit.
All diese Gefühle sind normal und wollen wahrgenommen werden. Bei dieser Belastung brauchen Sie immer wieder Zeit und Ausgleich für sich, um die Balance zu schaffen zwischen Fürsorge und Selbstfürsorge. Und es braucht einen wertschätzenden und verständnisvollen Zuhörer, der weiß, wovon Sie sprechen.
Das möchte ich für Sie sein. Mein Vater erkrankte vor sechs Jahren an Demenz. Obwohl ich Ärztin bin, habe ich die ersten Anzeichen nicht erkannt, nicht sehen wollen. Tief erschüttert erlebte ich die Diagnosestellung im Krankenhaus und sein Erkennen der Situation. Im Laufe der Jahre werden seine Spuren immer weniger, das kurze Aufblitzen seiner Selbst, so wie ich ihn seit meiner Kindheit kenne, immer seltener. Er ist immer noch mein Vater und ich liebe ihn wie eh und je, doch er entfernt sich von mir, mit jedem Tag. Ein Abschied auf Raten.
Sprechen Sie mich an.