„Trauer ist ein Fluss, auf dem man nicht gegen den Strom schwimmen kann.“ Dieser Spruch eines unbekannten Autors spiegelt meiner Ansicht nach sehr gut die Welt der Trauernden wieder.
Die Nachricht vom Tod eines nahestehenden Menschen versetzt uns in eine Art Schockzustand, wie der Sturz in eiskaltes Wasser, das uns lähmt und mit Dunkelheit umgibt.
Der Strom des Gefühlschaos reisst uns mit, wir fühlen uns ausgeliefert und hilflos. Nur mühsam kommen wir kurz an die Wasseroberfläche, gelingt es uns, ans Ufer zu schauen, zu erkennen, dass das Leben weiter geht. Viele Menschen laufen vorbei als sei nichts geschehen. Manche bleiben stehen und zucken ratlos mit den Schultern. Andere werfen ein Stück Holz in den Fluss, an dem wir uns kurz festhalten können, ein gutes Wort, etwas zu essen, eine Umarmung, doch schnell zieht der Fluss der Trauer uns wieder hinab.
Mit Macht versuchen wir uns gegen die Realität des Verlustes zu stemmen, doch es kostet so viel Kraft und irgendwann reisst die Strömung uns wieder mit. Es erfasst uns dieser unsägliche Schmerz, die Dunkelheit, meinen wir so weit weg zu sein vom rettenden Ufer.
Mit der Zeit merken wir, wie die Strömung langsamer wird. Wir tauchen häufiger auf, können wieder zögernd durchatmen, sehen ab und zu die Sonne. Kleine Lichtblicke zeigen uns, dass das Leben auch für uns noch Freude bereithält. Wir spüren zum ersten Mal wieder Boden unter den Füßen, die Trauer lässt uns nicht mehr so tief sinken.
Irgendwann nähern wir uns dann dem Ufer. Es hat nichts mehr mit dem alten Ufer zu tun, das wir vor langer Zeit verlassen mussten. Wir trauen uns an Land zu gehen, wagen uns auf unseren eigenen neuen Weg. Menschen warten auf uns und gehen ein Stück mit.
Ab und zu gehen wir bewusst zurück in den Fluss der Trauer, und suchen die Verbindung zu unserem/r Verstorbenen. Der Schmerz, die Kälte, verwandelt sich in Liebe und Dankbarkeit.
Und dann kommt der Moment, in dem wir den Fluss ganz verlassen und an Land gehen, an einem neuen, anderen Ufer. Ein neues, anderes Leben wartet dort auf uns, doch der Fluss wird uns immer begleiten.